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    Von (Mindest-)Löhnen und Preisen

    Teils recht ausführlich wurde in den Medien über die „Währungsreform“ in Venezuela vom 20.8.2018 berichtet. Fast keine Erwähnung fand hingegen der neu festgesetzte Mindestlohn. Dabei verdiente vor allem er eine genauere Betrachtung.

     

    Zeitgleich mit der Einführung des Bolívar Soberano am 20. August 2018 (es wurden 5 Nullen gestrichen) wurde ein neuer Mindestlohn in Höhe von 1.800,- neuen Bolivares Soberanos festgesetzt.
    Zum Zeitpunkt der „Währungsreform“ entsprachen 1.800,- Soberanos umgerechnet noch knapp 30,- US Dollar. Aktuell, einen Monat später, liegt der Wert bei unter 20 US Dollar.

     

    Mindestlohn: Von über 200,- auf unter 1,- US Dollar in acht Jahren
    Der seinerzeit unter Hugo Chávez eingeführte Mindestlohn lag noch im Jahr 2010 weit über 200,- US Dollar monatlich. Doch durch die Inflation verfiel der Wert kontinuierlich und lag, trotz mehrerer Anpassungen, zuletzt umgerechnet bei unter einem Dollar – monatlich.
    Mit der Festsetzung vom 20.8.2018 wurde der Mindestlohn also verdreißigfacht.

     

    Erhöhung ungenügend
    Zum Vergleich: Selbst in Haiti, dem ärmsten Staat Lateinamerikas liegt der Mindestlohn deutlich über 100,- US Dollar, in Nicaragua, dem zweitärmsten Staat in Lateinamerika bei rund 170,- US US Dollar.
    Dies lässt erahnen, wie unzureichend die aktuelle Erhöhung ist.

     

    Gehaltsgefüge durcheinander
    So ungenügend die Erhöhung, so gravierend sind die Auswirkungen auf (fast) alle Unternehmen: Die Sekretärin, die zuvor das 10- oder 20-fache des Parkplatzwächters verdiente, wird künftig (in der Relation) kaum ein ähnlich „hohes“ Gehalt bekommen. Mit anderen Worten: In jedem Betrieb muss ein neues GehaltsGEFÜGE geschaffen werden, das insgesamt bezahlbar bleibt und zugleich den unterschiedlichen Qualifikationen gerecht wird. Es steht zu befürchten, dass dies viele Betriebe, insbesondere kleine und kleinste, überfordern wird.

     

    Preise außer Rand und Band
    Die allgemeine Verunsicherung nach der so genannten „Währungsreform“ spiegelt sich auf der anderen Seite in den Preisen auf dem „freien“ Markt wider. Dinge, die zuvor umgerechnet einen US Dollar gekostet haben, kosten nun umgerechnet zwei, fünf oder noch mehr US Dollar.

     

    Supermarktregale gefüllt – Preise höher als in Deutschland
    Es sind weniger leere Regale, wie auch deutsche Medien suggerieren wollen, als die Preise das Hauptproblem.

    150 g Jogurt mit „Frucht“ gibt es im Supermarkt aktuell für 1,70 US Dollar, ein paar Scheiben Käse für umgerechnet 2,50 US Dollar, 0,33 l Bier für 1,20. Ein kleines, mit Fleisch gefüllte Teigtäschchen auf der Straße kostet 1,50, ein kleiner Becher Kaffee in der Kantine einen Dollar. Preise, die für „Normalverdiener“ unerschwinglich sind.

     

    Soberanos sind Mangelware
    Bargeld ist trotz der „Währungsreform“ kaum in Umlauf. Banken zahlen (oder tauschen) selten mehr als (umgerechnet) einen US Dollar, in Soberanos in bar aus. Wer also größere Mengen braucht, kann sich entweder x-mal stundenlang in die Schlange stellen, oder Schwarzmarktpreise (für Geldscheine!) berappen. Bestimmt einträglich für Einige.
    Dazu kommt: Das Abwickeln gleich welcher Geschäfte in einer fremden Währung (bspw. Dollar oder Euro) steht (von wenigen Ausnahmen abgesehen) unter Strafe. Vergehen werden nicht bloß auf dem Papier verfolgt.
    Faktisch einziges Zahlungsmittel sind somit (venezolanische) Bankkarten, mit denen die meisten Geschäfte bargeldlos abgewickelt werden können – so lange es keinen „Systemausfall“ gibt.

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